Clara für #unhatewomen: „Ich sage NEIN zu Diskriminierung und verbaler Gewalt“
Vor Kurzem veröffentlichte Terre des Femmes die Online-Kampagne #unhatewomen. In dem Kampagnenvideo lesen Frauen frauenverachtenden Songtexte bekannter deutscher Rapper vor. Mit dem Hashtag #unhatewomen soll verbale Gewalt gegen Mädchen und Frauen in Songs und den sozialen Medien sichtbar gemacht und widersprochen werden. Wir haben mit Clara, einem Gesicht der Kampagne, gesprochen. Sie berichtet uns von ihren Erfahrungen mit und Gedanken zu #unhatewomen.
Wie kam es dazu, dass du bei der #unhatewomen Kampagne mitgewirkt hast?
Ich arbeite hauptberuflich als Bildungsreferentin und habe Lehramt studiert. Neben dem Studium habe ich gelegentlich gemodelt und als Sängerin gearbeitet, weil es mir viel Spaß macht, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Meine Agentur hat einen Castingaufruf für eine wohltätige Kampagne gestartet und ich wurde dann aufgrund meiner Sedcard ausgewählt. Ich habe mich total gefreut und fand es toll, mein Gesicht für etwas wirklich Gutes, eine sinnvolle Sache herzugeben.
Warum wolltest du die Kampagne gerne unterstützen?
Ich denke, dass viele Menschen sich der Macht von Sprache nicht bewusst sind. Sie sehen nicht, dass Sprache Lebensrealität schafft. Das fällt mir auch immer wieder bei dem Thema Gendern auf. Ich bin da sehr hinterher, auch wenn viele davon genervt sind. Sprache kann verletzend und gewalttätig sein. Ich wollte die Kampagne dabei unterstützen, auf die Macht von Sprache aufmerksam zu machen.
Wusstest du von Anfang an, warum es geht?
Ich wusste im Voraus, dass der Dreh für eine Kampagne von Terre des Femmes ist. Das fand ich total spannend. Mir wurde erläutert, was die Kampagne bezwecken will und was uns da erwartet. Nur die genauen Texte kannte ich im Vorhinein nicht, die habe ich dann am Set das erste Mal gesehen.
Und wie verlief der Drehtag? Was hat dir am Set besonders gut gefallen?
Alle, die am Set mitgewirkt haben, von Darsteller*innen, über Fotograf*innen zu Visagist*innen, haben ehrenamtlich mitgewirkt, es war ein reines Non-Profit-Projekt. Die Leute waren sehr sympathisch und freundlich. Für das Shooting wurden wir kaum geschminkt, auf Natürlichkeit und Authentizität wurde viel Wert gelegt. Wir haben zuerst die Bilder gemacht und anschließend das Video gedreht. Da wurden wir dann auch das erste Mal mit den Textausschnitten konfrontiert.
Im Video sieht man ja die starken, sehr emotionalen Reaktionen der teilnehmenden Frauen auf die sexistischen und gewalttätigen Texte..
Absolut. Mir ist richtig schlecht geworden, als ich den Text vor der laufenden Kamera laut vorlesen musste. Ich habe mich gefragt, warum solche Texte, die Gewalt gegen Frauen verherrlichen, im Netz frei zugänglich sind.
Worin liegt deiner Meinung nach die Gefahr solcher Texte?
Mit jedem Song, in dem Frauen als „Fotze“ oder „Schlampe“ betitelt werden, wird ihre Entwürdigung normalisiert, wird vermittelt, dass ein solcher Umgang mit Frauen normal sei. Ich denke zwar nicht, dass die Hörer*innen der Texte deren Inhalt direkt wortwörtlich umsetzen oder glauben. Aber wenn man diese Texte tagtäglich hört, kann das natürlich eine gewisse Realität schaffen. Und man findet sich damit ab, statt sich damit auseinanderzusetzen und zu hinterfragen, was man da eigentlich gerade mitsummt.
Wie ist das bei dir, hörst du manchmal Musik mit sexistischen und gewaltverherrlichenden Texten? Hast du nach deiner Teilnahme an der Kampagne besonders darauf geachtet?
Absolut. Ich achte viel mehr auf die Texte und bin dahingehend stark sensibilisiert worden. Ich denke, dass die Kampagne sehr wirksam ist. Die Menschen sehen uns, Frauen, die vor der Kamera stehen und schockiert und fassungslos gewalttätige Raptexte vorlesen. Das hat einen Nerv bei vielen Menschen getroffen, die Kampagne ist ja auch extrem viral gegangen.
Es gibt ja viele Künstler, die veröffentlichen Texte, die über Ironie und Sarkasmus stereotype Frauenrollen und -bilder kritisieren sollen. Aber oftmals weiß man nicht, dass Aussagen im Text ironisch gemeint sind und eigentlich gesellschaftskritisch wirken sollen. Das kann man erst wissen, wenn man sich mit der Biographie der Künstler*innen auseinandersetzt. Kann man das von den Rezipient*innen erwarten? Wie stehst dazu?
Das ist ein sehr spannendes Thema, darüber habe ich viel nachgedacht. Ich habe Englisch studiert und hatte einmal ein Seminar über narrative Ethik, da ging es darum, wie viel Eigenverantwortung ein Text hat und ab wann die Leser*innen in der Verantwortung stehen. Ich denke, es ist wichtig, dass Kunst und Literatur eine gewisse Freiheit haben. Vor allem Ironie ist ja eigentlich ein Stilmittel, das bricht. Darum tue ich mich schwer damit zu sagen, dass man Ironie nicht nutzen kann, um zu kritisieren, weil dann vielleicht nicht jeder die eigentlich Aussage des Textes versteht. Die Hörer*innen tragen meiner Meinung nach eine gewisse Verantwortung, zu unterscheiden, welche Texte gesellschaftskritisch sind und welche nicht. Ich denke, dass Musik eine gewisse Härte haben darf, um auf ein sensibles Thema aufmerksam zu machen. Allerdings sollte klar abgegrenzt werden können, dass die Ironie den Inhalt bricht und somit kritisiert. Die Worte geben also nicht eins zu eins den Inhalt wieder, sondern wollen eigentlich das Gegenteil ausdrücken. Und das hat man im Rap ja oft nicht. Da weiß man nicht, ob der Rapper selbst nicht genau das meint, was er da sagt.
Du modelst ja auch nebenher. Wie waren deine bisherigen Shoots, was war bei der #unhatewomen Kampagne anders?
Vorher waren meine Shoots eher gut bezahlte „Comercial Jobs“. Während des Studiums habe ich manchmal für Magazine und Prospekte gemodelt. Ich habe auch oft damit gehadert, weil es meistens sehr oberflächlich war und ich immer nur auf mein Äußeres reduziert wurde. Durch die Kampagne hatte ich das erste Mal die Gelegenheit, mein Gesicht für etwa hinhalten zu können, hinter dem ich zu hundert Prozent stehe. Am liebsten würde ich nur noch „sinnhafte“ Shootings machen.
Und warum hat dir das Shooting für die Kampagne von Terre des Femmes so gut gefallen?
Alleine vom „Spirit“ war es total anders. Alle waren unentgeltlich da und wollten ein tolle Sache zusammen hochziehen. Oft hat man leider am Set eine gewisse „Stutenbissigkeit“ unter den Frauen. Das war bei der Kampagne ganz anders: Alle haben einander unterstützt, jede Frau war dort, um auf frauenverachtende Hate Speech aufmerksam zu machen. Ich konnte leider nur ein paar Teilnehmer*innen kennenlernen und war super begeistert von der Herzlichkeit und dem Empowerment, das ich am Set erleben durfte.
Vielen Dank für das Interview! Auf Claras Blog findet ihr einen tollen Beitrag über ihre Teilnahme an der #unhatewomen Kampagne.
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