Drei Perspektiven auf Altersvorsorge – Teil 1
Meine Familie, die Rentenlücke und ich
Ich bin jetzt 30. Ich war 26 als mein Kind geboren wurde und 27 als ich geheiratet habe. Unsere Hochzeit war für uns der Auslöser, einen Termin für ein längeres Gespräch mit unserer Bank zu vereinbaren. Es sollte um Kontenzusammenlegung, die finanzielle Absicherung unserer kleinen Familie und unsere Altersvorsorgen gehen.
Wir gingen mit einem ganzen Wäschekorb voll Unterlagen zu dem Termin bei unserer Bank und haben sehr viel entschieden an diesem Tag. Es fühlte sich gut an, diese Themen anzugehen und wir fühlten uns gut aufgehoben. Zu diesem Zeitpunkt war unser Kind schon bei einer Tagesmutter untergebracht, mein Mann arbeitete Vollzeit, ich studierte im Master und arbeitete als Selbstständige. Mein Verdienst schwankte stark, blieb im Jahresmittel jedoch unter der Grenze für zu versteuerndes Einkommen. Die Hauptfinanzquelle für unsere Familie war zweifellos das Gehalt meines Mannes.
Die Beraterin unserer Bank schaute sich gemeinsam mit uns unsere Unterlagen an und kam dann zu folgendem Ergebnis: Sie empfahl uns geförderte Riesterrenten abzuschließen. Die Riesterrenten sind ein Baustein privater Altersvorsorge, die von staatlicher Seite kofinanziert werden. Solange ein bestimmter Prozentsatz des Jahreseinkommens der Begünstigten in diese Altersvorsorge fließt, fördert die staatliche Seite die Altersvorsorge mit einem nicht geringen Betrag mit. Kurz um: Wir fanden das klang gut und haben beide Verträge für Riesterrenten abgeschlossen. Wohlgemerkt in getrennte Verträge. Und dann kam der Knackpunkt. Die Beraterin riet mir, aufgrund meiner Einkommenssituation nur den monatlichen Mindestbetrag von 5€ in die Rente einzuzahlen. Dieser Betrag reicht aus, um am Ende des Jahres die staatliche Förderung zu erhalten. Der monatliche Beitrag meines Mannes lag mit 100€ im Monat deutlich höher -logisch sein Einkommen ist ja auch höher. Und da war sie plötzlich. Die Rentenlücke. Sie klaffte mitten vor uns auf dem Tisch, aber niemand erkannte sie. Wir sind an diesem Tag mit diesem Ergebnis nach Hause gegangen. Mit dem Ergebnis, dass mein Mann monatlich 95€ mehr in seine private Altersvorsorge einzahlt und so natürlich auch monatlich seinen gesetzlichen Rentenanspruch steigert. Wir waren guter Dinge und zufrieden mit unseren Taten.
Familienarbeit ist auch Arbeit
In mir arbeitete dieser Tag jedoch noch weiter und ich dachte immer mehr darüber nach bis ich schließlich feststellte, dass ich unzufrieden war mit der Beratung und dem Ergebnis. Aber warum? Ich habe noch ein paar Wochen gebraucht bis ich das für mich formulieren konnte. Ich rief die Beraterin der Sparkasse nochmal an und erklärte ihr, dass ich meinen monatlichen Beitrag auch auf 100€ anheben möchte. Ihre Antwort war, das entspräche nicht meiner Einkommenssituation und wäre zu diesem Zeitpunkt nicht nötig. Ich widersprach und erklärte ihr, warum ich das für sehr nötig und auch angemessen halte. Ja, mein Mann verdient gerade mehr. Aber warum? Ich bin weniger erwerbstätig, weil ich meinen Master mache, den hat er auch gemacht. Wieso sollte er also dafür aufkommen, dass ich länger mit dem Studium brauche? Die Antwort ist offensichtlich unser Kind. Ich bin wegen meiner Schwangerschaft aus der Erwerbstätigkeit ausgestiegen und habe länger für meinen Master gebraucht, weil ich Zeit in unsere Familie investiert habe, in unser Kind. Das habe ich gemacht, weil ich das gerne wollte, aber auch, um meinem Mann seine Promotion in Vollzeit zu ermöglichen.
Diese Gedanken, die nach dem Beratungstermin in mir arbeiteten, hatten den Kern, dass ich der Meinung bin, dass mir ein Teil des Gehalts meines Ehemannes zusteht, als Lohn für meine unbezahlte Familienarbeit. Letztlich finde ich, dass die Beraterin einen falschen Betrag für die Berechnung meines monatlichen Beitrags in die Altersvorsorge zu Grunde gelegt hat. Mein Einkommen ist nicht nur das aus meiner selbstständigen Erwerbstätigkeit, sondern auch ein Anteil am Gehalt meines Mannes. Wir haben nicht zwei getrennte Einkommen, sondern ein Familieneinkommen, an dem ich mir meinen Anteil erarbeite durch meine Familienarbeit. Das habe ich der Beraterin so erklärt und sie war fassungslos am Telefon. Sie sagte mir, dass sie das nicht nachvollziehen kann, dass sie den Betrag auf meinen Wunsch selbstverständlich aber ändern würde. Ich wünschte das, ja. Ich wünsche mir aber auch, dass sie andere Frauen in meiner Situation anders berät. Das wird sie wohl nicht tun, denn für ihr Verständnis hatte ich wohl radikale Ideen. Die radikale Idee, dass auch Familienarbeit Arbeit ist und mindestens mit Rentenpunkten entlohnt werden sollte.
Nachtrag
Seit einigen Monaten ist mein Mann arbeitslos. Er übernimmt gerade viel der Kinderbetreuung, da ich eine Vollzeitstelle habe. Ihm hat niemand geraten seine Beiträge runter zu setzen.
Ein Kommentar
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