Wütende Vulva: Plädoyer fürs Lästern
Ich lästere. Gelegentlich gerne, auch über FINTA. Ich weiß, dass mich das eine schlechte Feministin macht. Das müsst ihr aushalten.
Ich bin wütend.
Und vor allem bin ich genervt. Darauf, dass mir dieser Themenzyklus mal wieder sagt, wie ich mich als Frau noch verbessern könne, wie ich weiter an mir arbeiten müsste. Um ein besserer, netterer, liebevollerer Mensch zu werden. Das sehe ich nicht so. Ich habe 20 Jahre lang gelernt, auf die Gefühle anderer Menschen Rücksicht zu nehmen, als liebevoller, netter Mensch. Wenn ich heute meine Energie und Zeit darauf verwende, an mir selbst zu arbeiten, dann übe ich lieber, für meine Meinung einzustehen, netter zu mir selbst zu sein und mich von Fremdwahrnehmung unabhängig zu machen.
Ich bin wütend.
Auf dieses Beschwören eines universellen Supports unter FINTA. Erstens, weil ich das nicht erlebe, weder in meinem privaten Umfeld, auf der Arbeit und ebenso wenig in feministischen Kreisen. Gerade letztere wirken auf mich zerstritten, hochemotional und wenig an sachlicher Diskussion interessiert, sobald es um Brandthemen wie Sexarbeit/Prostitution o. ä. geht. Zweitens, weil ich dies für eine Marketingmasche halte, die den sozialen Druck unter Frauen erhöht. #girlssupportgirls ist eine Kampagne der BRAVO und wird von Modefirmen und Lifestyle-Blogger:innen als Werbemasche ausgeschlachtet. Wir sind eben nicht alle gleich und deshalb darf ich manche Verhaltensweisen, Hosen oder Äußerungen auch doof finden. Das geht anderen bei mir auch so. Drittens finde ich, dass sich das gar nicht ausschließt: Ich kann Frauen in meinem Berufs- und Privatleben unterstützen, aber mich trotzdem bei der einen Freundin, die sich die Elternzeit gleichwertig teilt, über alle anderen Freund:innen, die auf einmal zwölf Monate plus zuhause sitzen, beschweren. Und nein, ich muss auch nicht immer meine Meinung ungefiltert allen Betroffenen direkt ins Gesicht posaunen. Ob des Friedens.
Ich lästere.
Denn schließlich wurde ich nicht als Mann mit einem unantastbaren Selbstwertgefühl erzogen und bin daher auf Lästereien angewiesen, um meinen Selbstwert wiederherzustellen. Es ist menschlich, dass mich nervt, wenn Treffen kurz vorher abgesagt werden und ich aus Frust ein paar schlechte Worte verliere. Ich muss meine Emotionen nicht bis ins Kleinste durchregulieren. Das ist auch der Sinn dieser Glosse. Vielleicht definiert mich auch nicht der erste Gedanke, der Impuls des Lästerns, sondern erst der zweite.
Gelegentlich gerne, auch über FINTA. Lästern macht auch Spaß, schweißt Gruppen zusammen und ist, in aller Ehrlichkeit, der Grund für Trash-TV. Trotz aller Schnitte, aus dem Kontext gerissener Zitate und fiesen Kameraeinstellungen fühle ich mich damit bestens unterhalten und bin mir bewusst, dass dies mehr über mich als jede:r Teilnehmer:in dieser Sendung aussagt. Das müsst ihr dann aushalten.
Zur Sprache auf diesem Blog: Immer, wenn wir Genderbezeichnungen nutzen, beziehen wir uns gleichermaßen auf trans wie cis Menschen. Uns ist bewusst, dass die von uns verwendeten Begriffe soziale Konstrukte sind und es mehr als zwei Geschlechter gibt. Um gendersensible Sprache zu verwenden, nutzen wir den Doppelpunkt. Falls wir über eine Person schreiben, die sich eine andere Selbstbezeichnung wünscht, verwenden wir diese.