Nordisches Modell
Allgemein,  Sexarbeit

Das Nordische Modell

Das „Nordische Modell“ beschreibt die Prostitutionspolitik einiger Länder, welche den käuflichen Erwerb von sexuellen Diensten verbieten.1 Das Modell verfolgt insgesamt vier Ziele: Die Kriminalisierung von Prostitutionserwerb und -betreibern, die Entkriminalisierung von Prostituierten, die Förderung von Ausstiegsprogrammen für Betroffene und vermehrte Aufklärungsmaßnahmen für ein besseres Verständnis von Prostitution in der Gesellschaft.2

Hintergrund und Einführung

Für die Einführung des sogenannten Sexkaufverbots setzen sich feministische Lobbyist*innen undPolitiker*innen ein, da ihrer Meinung nach, Prostitution Gewalt gegen Frauen sei und gegen den Willen der betroffenen Frauen geschehen würde.3 Ein weiteres Argument der Prostitutionsgegner*innen ist, dass Gleichberechtigung erst unter der Abschaffung von Prostitutionerreicht werden könne.

1999 war Schweden das erste Land, welches das Sexkaufverbot einführt.4 Auch in anderen europäischen Ländern ist mittlerweile die Wahrnehmung sexueller Dienstleistungen verboten, darunter Norwegen, Finnland, Island, Frankreich und Irland.5 Zuletzt wurde im Laufe der Coronapandemie und der damit verbundenen Schließung von Prostitutionsstätten, auch in Deutschland, von einigen Politiker*innen und Aktivist*innen erneut ein Verbot gefordert.6 In Deutschland ist Prostitution legal und unterliegt spezifischen Regelungen, eine davon ist das 2002 eingeführt Prostitutionsgesetz.5

Bewertung des Nordischen Modells

Die Staaten, die das Nordische Modell bisher adaptiert haben, bewerten es als Erfolg. Der schwedischen Evaluation, dem sogenannten Skarhead-Report von 2010, zufolge, sei ein Rückgang von Prostitution seit der Einführung des Gesetztes zu verzeichnen:4 von 1998 bis 2008 sei die Straßenprostitution um 50% gesunken.7 Laut der schwedischen Studie würden durch das Gesetz Prostitution und Trafficking für sexuelle Zwecke eingedämmt werden, außerdem würde es Menschenhändler*innen und Zuhälter*innen abschrecken.8

“Prostitution müsste als das anerkannt werden, was sie ist: Gewalt und eine Verletzung derMenschenwürde.”

Sandra Nowak, ehemalige Prostituierte9

Von Seiten einiger Wissenschaftler*innen und Menschen aus dem Gesundheits- und Diskriminierungswesen wird die Aussagekraft der Evaluation infrage gestellt, da der Report Widersprüche und Unklarheiten aufzeige und dass das positive Ergebnis nicht vorbehaltlos durch Fakten und Daten bestätigt werden könne.8 Generell wird die Wirksamkeit einer Kriminalisierung von Prostitution von Gegnern angezweifelt: Einige Fachleute sprechen sich dafür aus, dass die Prostituierten durch das Gesetz nicht wie geplant vor Zwang und Menschenhandel geschützt werden.10 Stattdessen würden Prostituiertegerade wegen des Verbots keine sichere Arbeitsumgebung mehr haben und öfter Opfer von Gewaltund Straftaten werden.4

“Die Freierbestrafung führt dazu, dass wir wesentlich weniger Kunden haben und somit wesentlich weniger verdienen.”

Johanna Weere, Sexarbeiterin11

Eine Studie, die 2016 in Frankreich nach Einführung des Sexkaufverbotsentstand, stellte fest, dass sich die Position der Sexarbeiterinnen durch das Verbot enorm verschlechtert hätte, da durch die Kriminalisierung die Nachfrage gesunken sei und so Einnahmebußen für die Prostituierten entstehen würden.1 Auch ihre Sicherheit sei nicht mehrgewährleistet, da die illegale Sexarbeit nun an unsicheren, isolierten Orten stattfinden müsse.12

Anmerkung der Redaktion: Der Begriff Prostitution (im Gegensatz zu „Sexarbeit“ und „Sexarbeiter*innen“) wird in diesem Artikel nicht wertend genutzt, sondern beruht auf der Wiedergabe von Gesetzestexten und Aussagen.

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  1. Vgl. Willems, Eléonore (2020): https://magazin.hiv/2020/03/03/finger-weg-vom-sexkauf-verbot/ [] []
  2. Vgl. Müller, Katharina (2020):https://www.focus.de/perspektiven/anbieten-bleibt-legal-kommt-nach-corona-das-sexkaufverbot-wie-nordische-modell-prostituierten-helfen-soll_id_12073451.html []
  3. Vgl. Dodillet, Susanne/ Östergren, Petra (2014): https://missy-magazine.de/blog/2014/02/28/das-schwedische-sexkaufverbot-beanspruchte-erfolge-und-dokumentierte-effekte/ []
  4. Vgl. ebd. [] [] []
  5. Vgl. Deutscher Bundestag (2020): https://www.bundestag.de/resource/blob/678116/53f1edc9dc0f14f544a4bb076edfa9f4/WD-9-082-19-pdf-data.pdf [] []
  6. Vgl. Willems, Eléonore (2020): https://magazin.hiv/2020/03/03/finger-weg-vom-sexkauf-verbot/ []
  7. Vgl. Müller, Katharina (2020): https://www.focus.de/perspektiven/anbieten-bleibt-legal-kommt-nach-corona-das-sexkaufverbot-wie-nordische-modell-prostituierten-helfen-soll_id_12073451.html []
  8. Vgl. Dodillet, Susanne/ Östergren, Petra (2014): https://missy-magazine.de/blog/2014/02/28/das-schwedische-sexkaufverbot-beanspruchte-erfolge-und-dokumentierte-effekte/ [] []
  9. Sandra Nowak, ehemalige Sexarbeiterin: https://www.dw.com/de/sexkaufverbot-es-gibt-keine-gute-prostitution/a-48200710 []
  10. Vgl. Pressemitteilung Deutsche Aidshilfe (2019):  https://www.aidshilfe.de/meldung/fachwelt-warnt-sexkaufverbot []
  11. Johanna Weer, Sexarbeiterin https://berufsverband-sexarbeit.de/index.php/2019/09/11/stellungnahme-zu-sexkaufverbot-vorschlag-in-deutschland-freierbestrafung-gefaehrdet-die-sicherheit-von-tausenden-sexarbeiterinnen/ []
  12. Vgl ebd. []

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