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Hoch die Internationale Solidarität

Es ist der 15. Oktober 2022. 30 Tage seit dem Tod durch Polizeigewalt von Jina Masha Amini. 30 Tage, in denen Frauen* und Männer* im Iran auf die Straße gehen und ihr Leben riskieren.
Das Ziel: Der Sturz des Mullah-Regimes – eine feministische Revolution.

In den deutschen Medien? Kaum etwas zu finden. Die 20:15 Uhr Tagesschau berichtet an vielen Tagen nicht mit einem einzigen Wort hierüber. In der Zeit vom 17. Oktober -23. Oktober 2022 haben wir täglich die Tagesschau und ihre Online Medienberichte beobachtet. An drei Tagen (17., 18. und 20. Oktober) liefert die 20:15 Uhr Tagesschau keinen einzigen Beitrag zum Iran. Von 138 Medienberichten in der Kategorie “Ausland” handeln nur zehn vom Iran, der Großteil von der Kletterin Rekabi. Zeitgleich explodieren die Sozialen Medien mit Beiträgen und das obwohl das iranische Regime seit dem 19. September 2022 das Internet eingeschränkt hat.
Die Inhalte: Videos und Berichte von Menschen, insbesondere Frauen*, die auf offener Straße von der Sittenpolizei zusammengeschlagen, grundlos inhaftiert, ausgepeitscht, gefoltert und ermordet werden. Wir sehen Widerstand gegen das Regime, Frauen*, die als Zeichen der Ablehnung ihre Kopftücher verbrennen, internationale Proteste, auch in Deutschland.
Ursprünglich wollten wir die Medien hierzulande für ihre Untätigkeit kritisieren – glücklicherweise hat das Thema inzwischen jedoch Einzug in unsere Zeitungen und Fernsehsender gefunden. Um das Ausmaß der Revolution zu verstehen, reicht es jedoch nicht, die zugespielten Berichte zu konsumieren. „Hoch die internationale Solidarität!“ heißt es auf den Demonstrationen. Und das bedeutet unbedingtes Zusammenhalten und Unterstützung.

Wie kann ich solidarisch mit den Menschen im Iran sein?

Die Stimme gegen das Regime zu erheben, bedeutet für die Menschen im Iran oder mit Verbindungen zum Iran ein lebensbedrohliches Risiko. Umso mehr sollte es die Aufgabe der Außenstehenden sein, die eigene Stimme zu erheben und über die Lage im Iran zu berichten. Die Basis: Informationen.

Informieren

Das iranische Regime hat das Internet teilweise gesperrt, wodurch Iraner:innen über keinen „legalen“ öffentlichen Weg von ihrer Situation berichten können. Pressefreiheit existiert nicht. Reporter:innen, die sich aus dem Iran heraus kritisch äußern, laufen Gefahr, inhaftiert zu werden.[1] Das erschwert das journalistische Arbeiten für die deutsche Presse, die ihre Korrespondent:innen zurückgezogen hat und demnach auf andere Quellen zurückgreifen muss. Zusätzlich gilt ein ethischer Kodex für journalistisches Arbeiten. Demnach müssen Quellen als seriös eingestuft werden und Nachrichten doppelt geprüft werden, bis sie veröffentlicht werden.[2] Ohne Reporter:innen ist das schwierig. Demnach fallen die herkömmlichen Nachrichten als (Haupt-)Informationsplattform weg.

Was bleibt? Social Media sei die einzige Waffe der zivilen Bevölkerung, so Natalie Amiri im ZAPP Medien Magazin.[3] Trotz Eindämmung des Internets seitens des Regimes gelingt es den Menschen im Iran über VPN Tunnel Kontakt zu Personen im Ausland aufzunehmen. Vielfach werden von verschiedensten Provinzen im Iran Videos geteilt. Sowohl von der Gewalt der Sittenpolizei als auch von den Protesten. Und das obwohl bereits das Teilen der Inhalte erhebliche Strafen mit sich bringen könnte. Natürlich wollen wir keine Fake News teilen aber warum sollten wir solche Videos  für potenzielle Fälschungen halten? Gerade mit dem Wissen, dass das Regime jegliche Berichterstattung versucht, zu unterbinden? Im Sinne des Büger:innenjournalismus waren Soziale Medien bereits bei vorherigen Protesten, wie dem Arabischen Frühling 2010/11, die zentrale Plattform. Jedes geteilte Video ist ein kleiner Sieg der Iraner:innen vor Ort. Also konsumiert den Content, teilt ihn, schenkt den Menschen vor Ort damit Aufmerksamkeit und Hoffnung: Wir sehen euch!!!

Doch es reicht leider nicht, darauf zu warten, dass uns zufällig Informationen zugespielt werden. Wir müssen selbst aktiv suchen. Sogar bei kleinen Instagram Kanälen scheint zunehmend das shadowbanning zu greifen.[4] Das bedeutet, dass die Inhalte einzelner Kanäle nicht mehr angezeigt werden. Die Reichweite sinkt. In der Vergangenheit gab es bereits shadowbanning im Kontext der Black Lives Matter Bewegung.[5] Nun berichten mehrere Menschen, die sich zum Thema Iran äußern, dass ihre Beiträge ebenfalls an Reichweite verlieren. Daher listen wir euch noch einige Kanäle auf, auf denen ihr selbst nach Informationen suchen könnt.
Was noch: Hört den Menschen aus dem Iran, oder mit Verbindung zum Iran, zu. Lasst die Menschen zu Wort kommen, die betroffen sind, statt über sie zu reden. Sowohl öffentlich als auch privat.

Teilen

Nehmt euch in die Verantwortung, die Informationen nicht nur bei euch zu halten. Teilt die Beiträge in eurem privaten Umfeld oder in den Sozialen Medien. Nutzt Hashtags und erhöht die Sichtbarkeit (auch hierzu gibts unten eine Übersicht). Informiert die, die keinen Zugang zu Sozialen Medien haben. Sprecht mit euren Mitmenschen darüber und fordert zum Handeln auf. Macht den Iran zum Thema. Seid die Stimme derer, die sie nicht erheben können. Be our Voice.

Handeln

Solidarisch sein heißt zusammenhalten und handeln. Geht auf Demonstrationen. Unterstützt die iranische Community hier in Deutschland und im Iran. Fragt Betroffene, wie ihr helfen könnt. Zeigt internationale Solidarität. Macht deutlich, dass ihr mitfühlt und die Kämpfe um deren Freiheit seht. Was im Iran passiert, darf nicht unentdeckt bleiben. Macht den Menschen im Iran Mut. Zeigt, dass sie nicht allein sind.

Fordert die deutsche Politik zum aktiven Handeln auf. Wir müssen Position beziehen. Schreibt euren Bundestagsabgeordneten. Feministische Außenpolitik muss international und intersektional sein. Hawar help hat zehn Forderungen an die deutsche Politik im Umgang mit dem Iran aufgestellt, die ihr hier nachlesen könnt.[6] Unterzeichnet Petitionen, demonstriert, teilt Inhalte, werdet laut.

Haltet den Diskurs am Laufen bis die Revolution gelingt. Soziale Medien sind schnelllebig – Veränderung braucht Zeit. Sorgt dafür, dass die Informationswelle am Laufen bleibt. Jede Information, die aus dem Iran nach außen gelingt, die gesehen und geteilt wird, kann Kraft schenken und die Hoffnung auf eine Revolution aufrechterhalten. Die Menschen im Iran riskieren mit ihrem Widerstand Alles, daher gibt es kein Zurück mehr.

Ich denke an die Worte, die hier eine Demonstration beendeten: „An alle Anwesenden, ich hoffe, dass wir euch bald in unserem wunderschönen, freien Land Willkommen heißen dürfen.“

Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen.

Be their voice!

Instagram Kanäle (u.a.):

@amnestydeutschland @aribahman @avin.kho @damitdasklaas @danielasepehri @duzentekkal @frauenlebenfreiheit_koeln @freeiran.de @free.nahid @gilda_sahebi @masih.alinejad @natalie_amiri @officiallyjoko @ozi_ozar

Demonstrationen in deiner Nähe:
@iranprotestsgermany

Hashtags

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Petitionen:

www.linktr.ee/irandeutschland

Zur Sprache auf diesem Blog: Immer, wenn wir Genderbezeichnungen nutzen, beziehen wir uns gleichermaßen auf trans wie cis Menschen. Uns ist bewusst, dass die von uns verwendeten Begriffe soziale Konstrukte sind und es mehr als zwei Geschlechter gibt. Um gendersensible Sprache zu verwenden, nutzen wir den Doppelpunkt. Falls wir über eine Person schreiben, die sich eine andere Selbstbezeichnung wünscht, verwenden wir diese.

Schwarz wird großgeschrieben, da dies nicht für eine Hautfarbe, sondern politische Selbstbezeichnung steht. weiß wird kursiviert, da es sich dabei um eine privilegierte Positionszuschreibung handelt.


[1] Carlotta Wald, „Wer im Iran journalistisch arbeitet, wird weggesperrt“, 21. Oktober 2022, Süddeutsche Zeitung, Online:
https://www.sueddeutsche.de/medien/iran-pressefreiheit-journalisten-gefaengnis-1.5679451,
Zugriff am 11. November 2022.

[2] Eva Steinlein, Das ABC des deutschen Mediensystems, 3. Mai 2022, Website deutschland.de, https://www.deutschland.de/de/topic/kultur/pressefreiheit-und-medien-in-deutschland-im-ueberblick, Zugriff am 11. November 2022.

[3] ZAPP Medienmagazin [@ZappMM], 20. September 2022, ARD-Korrespondentin @NatalieAmiri spricht von einer neuen Dimension der Proteste gegen das iranische Regime. Auch Social Media spiele dabei eine essentielle Rolle., https://twitter.com/ZappMM/status/1572282202204823553, Zugriff am 11. November 2022.

[4] Silas Zbornik, Shadowban bei YouTube, Facebook & Co.: Das sollten Sie wissen., 08:September 2021, Website praxistipps.chip.de, https://praxistipps.chip.de/shadowban-bei-youtube-facebook-co-das-sollten-sie-wissen_136663), Zugriff am 11. November 2022.

[5] Laura Hood, What is shadowbanning? How do I know if it has happened to me, and what can I do about it?, 03.November 2022, Website the conversation.com, https://theconversation.com/what-is-shadowbanning-how-do-i-know-if-it-has-happened-to-me-and-what-can-i-do-about-it-192735, Zugriff am 11. November 2022.

[6] HÁWAR.help, „JIN – JIYAN – AZADÎ!“ 10 Forderungen von HÁWAR.help, 6. Oktober 2022, Website hawar.help, https://www.hawar.help/de/jin-jiyan-azadi-10-forderungen-von-hawar-help/ Zugriff am 11. November 2022.

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