Familienportrait: Drei Generationen Abhängigkeit
Nachdem drei klits ihre Erfahrungsberichte zu Altersvorsorge im Singlehaushalt, Partnerschaft und Familie geteilt haben, zeigten die FuckFacts, dass Frauen in Deutschland erst seit 1958 ein eigenes Konto eröffnen können. Das bedeutet, die finanzielle Mündigkeit ist keine 100 Jahre alt! Darum wird es höchste Zeit der Frage nachzugehen, wie drei Generationen Frauen einer Familie ihre Altersvorsorge heute wahrnehmen.
Beginnen wir direkt am Anfang mit einer kleinen Beichte: Ich bin im Sommer 28 Jahre altgeworden, habe gerade meinen Master im philosophischen, als „brotlos“ verhöhnten Bereich beendet und im August zum ersten Mal in meinem Leben feststellen müssen, wie viel von meinem hart verdienten Geld ich für meine Rentenversicherung „opfern“ muss (Ich hatte zwar während des Studiums einige Nebenjobs, dort ist mir sowas aber weniger aufgefallen. Ganz nach dem Motto: Mit plus-minus Null am Monatsende bin ich mehr als zufrieden). Das knapp ein Fünftel meines Gehalts in meine Altersvorsorge fließt, hat mich gewissermaßen schockiert und gleichzeitig zum Nachdenken angeregt: Habe ich mich wohlmöglich aufgrund meiner finanziell privilegierten Position viel zu spät mit dem Thema Altersvorsorge auseinandergesetzt?Werde ich nun wegen meiner Ignoranz und Gleichgültigkeit Probleme bekommen, wohlmöglich im Alter verarmen? Ein Blick in meinen (Akademiker-)Freundeskreis zeigt mir: Meine Freund*innen,ebenfalls im Schnitt Mitte/Ende 20, haben ungefähr genauso viel Plan wie ich – nämlich gar keinen. Aber auch diese Tatsache empfinde ich nicht gerade als beruhigend, vor allem, weil wir sowieso die Generation sind, die wenn überhaupt erst im sehr hohen Lebensalter Rente erhalten wird. Ist das wohlmöglich ein Generationsproblem? Wie haben sich wohl meine Mutter und Oma in dem Lebensabschnitt, in dem ich mich gerade befinde, gefühlt? In meinem Alter hatten beide zumindest schon eine kleine Familie zu versorgen, vielleicht mussten sie aus diesem Grund mehr Gedanken an ihre finanzielle Zukunft verschwenden? Da mich diese Frage nicht losgelassen hat, habe ich mit beiden gesprochen und ihnen folgenden Fragen gestellt:
- Hast du dir als junge Frau Gedanken über deine Altersvorsorge gemacht? Hast du bestimmte Entscheidungen in deinem Leben getroffen, um später eigenständig finanziell abgesichert zu sein?
- Wie hast du dir mit Anfang 20 deine finanzielle Situation im Alter vorgestellt?
- Habt ihr Frauen* miteinander über Rente und Vermögen gesprochen?
- Welche Tipps würdest du deinem jüngeren Ich geben?
Im Folgenden möchte ich die Antworten meiner Mutter und Großmutter mit euch teilen. Vorweg ein kleiner Teaser zu den beiden Frauen: Meine Mutter ist Mitte 50 und seit fast 30 Jahren mitmeinem Vater, dem (Fast-)Alleinverdiener der Familie, verheiratet. Sie hat 15 Jahre als Arzthelferin gearbeitet und anschließend zwei Dekaden als Hausfrau und Mutter unbezahlte Care-Arbeit geleistet. Mittlerweile arbeitet sie wieder auf 450€-Basis in der Modebranche. Meine Oma (väterlicherseits) ist Mitte 80, mein Opa ist sehr früh gestorben, deswegen ist sie seit mehr als 25 Jahren verwitwet und bezieht Witwenrente. Sie hat, wie auch ihre Familie, ihr Leben lang auf einem Bauernhof gearbeitet. Das tut sie auch heute noch, außerdem gehören ihr mittlerweile der Hof ihrer Eltern und der ihres verstorbenen Mannes.
So hat meine Mutter meine Fragen beantwortet:
„Um ehrlich zu sein habe ich mir in deinem Alter, beziehungsweise mit Anfang 20, gar keine Gedanken in Bezug auf meine Rente gemacht. Ich hatte einerseits kein Interesse daran und andererseits fehlten mir die Informationen. Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen und sie hat sich dahingehend um alles gekümmert. Auch wenn das fast ironisch ist, da wir von ihrer Witwenrente gelebt haben und diese uns einen guten Lebensstil ermöglicht hat, denn mein Opa war vor seinem Tod als Rechtsanwalt tätig.
Auch meine Berufswahl, dass ich Arzthelferin geworden bin, habe ich in Bezug auf meine spätere finanzielle Situation getroffen. Ich habe einfach das gemacht, worauf ich Lust hatte und woran mein Herz hing. Zudem habe ich mir generell keine Gedanken über meine finanzielle Situation im Alter gemacht. Meine Oma hatte ausreichend Einkommen aufgrund ihrer Witwenrente, sodass wir im Hier und Jetzt versorgt waren. An die Zukunft habe ich nicht gedacht. Auch später nicht, als ich deinen Vater geheiratet und mich entschieden habe, bei euch zuhause zu bleiben.
Ich kann mich an ein Gespräch mit einer guten Freundin erinnern, mit der ich damals zusammen meine Ausbildung gemacht habe. Wir waren ungefähr 30 Jahre alt und ich hatte mich gerade dazu entschlossen, nach der Geburt deines Bruders nicht länger als Arzthelferin tätig zu sein. Meine Freundin hingegen, sie hatte zu dem Zeitpunkt auch bereits zwei Kinder, wollte weiterarbeiten, damit sie später eine bessere Rente bekommt. Das hat mich zum Nachdenken angeregt, jedoch nichts an meiner Entscheidung geändert.
Ich würde heutzutage vieles anders machen: Ich würde mich mehr mit diesen Dingen, wie zum Beispiel der Rente, beschäftigen und vielleicht auch andere Entscheidungen treffen. Welche, die mich vielleicht finanziell weniger abhängig von deinem Vater machen, auch wenn bei uns alles ‘gutgegangen’ ist. Ich würde mich zudem besser informieren, um einen Überblick über meine Optionen zu bekommen.“
Und das waren die Antworten meiner Oma:
„Ich habe mir, nachdem ich die Schule beendet hatte, gar keine Gedanken über meine Rente gemacht. Ich hätte mir sogar die Zeit auf dem Lehrhof, dort habe ich ein knappes Jahr verbracht, für die Rente anrechnen lassen können. Das habe ich aus Unwissenheit aber nicht, mir war diese Möglichkeit damals nicht bewusst. Ich habe auch keine meiner ‘Lebensentscheidung’ abhängig von meiner finanziellen Zukunft getroffen. Meine Eltern kommen aus der Landwirtschaft und ich wollte seit jeher in diesem Bereich tätig sein. Bei meinem Mann war das anders: Er wollte nie den Bauernhof seiner Familie übernehmen, musste es aber, sein Vater hat ihn dafür sogar vom Wehrdienst zurückgeholt. Er hat sich im Gegensatz zu mir auch relativ viel mit dem Thema Finanzen und Rente beschäftigt und musste von Anfang an in die Rentenkasse einzahlen. Das mussten seine Eltern, die unseren Hof vorher besessen hatten, damals noch nicht.
Ich habe mich früher so gut wie gar nicht mit meiner finanziellen Situation in der Zukunft beschäftigt. Das liegt aber auch daran, dass wir den Hof meines Mannes vererbt bekommen haben und uns durch die Landwirtschaft eigenständig ernähren konnten. Wir hatten nie das Gefühl, dass überhaupt die Möglichkeit bestehe, im Alter zu verarmen und mittellos zu sein.
Mit meinen Freundinnen habe ich nie über Rente oder Finanzen generell gesprochen. Das hat man früher aber allgemein nicht gemacht. Jeder hatte, was er hatte, und damit war es dann gut.
Auch nach dem Tod meines Mannes (er verstarb bereits mit 56 Jahren) habe ich mich nicht mit meiner Rente beschäftigt, da hat dein Vater (Omas ältester Sohn) viel übernommen und sich darum gekümmert. Er ist mit mir immer zu den Behörden gefahren und hat alles geregelt, auch das mit meiner Witwenrente. Ich hätte das damals nicht alleine gekonnt, ich hatte mich ja nie damit beschäftigt, da mein Mann für die Buchführung komplett alleine verantwortlich war. Dein Opa hat mit mir auch nie über unsere finanzielle Situation gesprochen. Auch nicht über Schulden, die wir in einigen Jahren hatten. Ich habe nur mitbekommen, dass er Land verkaufen musste. Aber geredet haben wir darüber nie. Wenn ich damals für unsere Finanzen verantwortlich gewesen wäre, hätte ich viele Sachen anders gemacht. Aber danach hat niemand gefragt. Der Mann des Hauses hat sowas traditionell übernommen, vor allem, wenn man wie ich in eine Landwirtschaft eingeheiratet hatte.
Ich würde rückwirkend viele Dinge anders machen: Ich würde unsere Finanzen selber in die Hand nehmen. Ich wurde von zuhause aus so erzogen, dass man gar nicht erst Schulden macht. Ich denke, hätte ich unser Geld und unsere Rente verwaltet, wäre vieles ganz anders gelaufen. Hätte ich nicht in eine Landwirtschaft eingeheiratet, sondern einfach den Hof meiner eigenen Eltern übernommen. Aber gegen das System konnte man sich nicht wehren. Auch nicht, obwohl mein Mann eigentlich niemals einen Hof führen wollte und er mir sicherlich die Renten- und Finanzplanung überlassen hätte. Aber da hat seine Familie viel zu viel Druck gemacht.“
Bei den Geschichten meiner Oma und Mutter musste ich feststellen, dass wir vor allem zwei Dinge gemeinsam haben: Wir haben uns alle drei mit Anfang 20 kein bisschen mit unserer Altersvorsorge und finanziellen Zukunft beschäftigt. Das lag einerseits an einer gewissen Interesse- und Sorglosigkeit, die die Jugend mit sich bringt. Andererseits wurde diese Situation auch auf irgendeine Art und Weise von den Männern in unserem Leben beeinflusst: Während mein Opa als Besitzer einer Landwirtschaft für die Finanzen meiner Oma zuständig war, hauptsächlich deswegen, weil das damals gesellschaftlich gängig war, übernahm nach dem Tod meines Opas mein Vater diese Dinge. Das tat er, um meine Oma in der schweren Situation zu unterstützen und ihr zu helfen. Außerdem ist mein Vater bereits seit der Hochzeit mit meiner Mutter komplett für deren Geldverwaltung und Altersvorsorge alleinverantwortlich. Einerseits, weil er durch seinen Beruf beinahe automatisch zum Alleinverdiener wurde. Und andererseits, weil meine Mutter sich für diese Dinge als sie jung war nicht wirklich interessiert hat, was denke ich daran lag, dass sie sich dahingehend von Anfang an auf ihre Familie oder später auf ihren Mann verlassen konnte. Und auch ich kann mich nicht von dem Einfluss meiner Familie auf meine Altersvorsorge freimachen, da ich in einer finanziell gut aufgestellten Familie aufgewachsen bin und mir ehrlich gesagt nie wirklich vorstellen konnte, jemals wirklich arm zu sein oder es in Zukunft zu werden. Das liegt natürlich auch daran, dass ich selber einen akademischen Abschluss habe und mein langjähriger Partner ebenfalls als Akademiker in einer lukrativen Branche tätig ist. Meine Familie, beziehungsweise besser gesagt mein Vater, und die Ausbildung, die mir finanziert wurde, war und ist mein finanzielles Sicherheitsnetz. Andererseits bin ich im Gegensatz zu meiner Oma und Mutter jetzt erst im erwerbstätigen Alter, habe gerade meine erste Anstellung bekommen, bin nicht verheiratet und kann das Ruder noch rumreißen. Wenn ich etwas gelernt habe aus den Gesprächen mit meiner Familie, dann, dass es jetzt an mir liegt, mich mit meiner finanziellen Zukunft zu beschäftigen. Nur so kann ich eigenständig bestimmen, inwieweit diese abhängig sein wird von den Männern, die zu meinem Leben gehören.
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