Drei Perspektiven auf Altersvorsorge – Teil 3
Romantikkiller: Finanzen und Partnerschaft
Ich bin jetzt 30. Ein Alter, in dem meine Mutter bereits sechs Jahre verheiratet war, eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Tasche hatte und in Vollzeit zwei Kinder versorgte. Ich hingegen habe mich entschieden, nach sechs Jahren Studium noch eine privat finanzierte postgraduelle Weiterbildung zur Psychotherapeutin zu absolvieren. Um meine Altersvorsorge habe ich habe mir nie ernsthaft Gedanken gemacht. Wenn am Ende des Monats überhaupt mal etwas übrigblieb, lebte ich eher nach der Devise „von der Hand in den Mund“. In die Rentenkasse habe ich aufgrund meiner selbstständigen Tätigkeit in einem freien Beruf nie eingezahlt. Da ich noch nicht approbiert bin, steht auch mein Kontostand im Versorgungswerk [1] auf null.
Aufgewachsen bin ich in einer recht traditionellen, bürgerlichen Familie. Mein Vater war der Hauptverdiener, meine Mutter setzte lange Zeit für die Erziehung der Kinder aus und stieg später in Teilzeit als angestellte Lehrerin wieder ein.[2] Einen Rentenausgleich oder Ehevertrag gibt es zwischen den beiden nicht, sie leben nach dem Motto „Was mein ist, ist dein“. Dieses Bild einer funktionierenden und sicheren Langzeitbeziehung hat mich geprägt und bis ich Ende 20 war, habe ich es wenig hinterfragt. Bei meinen Eltern geht das Konzept auf: Sie haben das große Glück, sich auch nach fast 40 Jahren Ehe in ihrer Beziehung noch wohl zu fühlen. Auch ich fühle mich wohl in meiner Partnerschaft – doch die Fälle in meinem Umfeld, in denen diese “romantische” Rechnung nicht aufging, sind zahllos. Und sie bringen mich zum Nachdenken.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Vor zwei Jahren habe ich selbst geheiratet. Einen Ehevertrag haben wir nicht. Noch nicht, sollte ich wohl genauer sagen. Denn je mehr ich mich an verschiedene Themen wie beispielsweise Altersvorsorge traue, desto mehr bemerke ich den immensen Diskussions- und Handlungsbedarf. Darüber, wie wir eventuelle Betreuungszeiten fair aufteilen bzw. ausgleichen können (siehe „3 Perspektiven auf Altersvorsorge – Teil 1), darüber, wer wann wieviel bezahlt, …
Mein Mann hat ein duales Studium absolviert und damit seit seinem Schulabschluss durchgängig Geld verdient. Vor ein paar Jahren kaufte er eine Wohnung, in der wir gemeinsam leben. Da ich mich noch mitten im Studium befand, sah ich mich nicht annähernd in der Lage, eine Immobilie finanzieren zu können – und zu wollen. Ich war Mitte 20, wollte mein Leben genießen, mich frei fühlen und mich nicht mit solchen spießigen Erwachsenenthemen auseinandersetzen. Mittlerweile tilgen wir seinen Kredit gemeinsam, im Grundbuch steht jedoch weiterhin nur sein Name. Im Falle einer Trennung steht mir damit nichts zu. Die Situation gefällt uns beiden nicht. Mir nicht, weil ich naiv und auf gut Glück eine Immobilie mitfinanziere, ohne dass das offiziell irgendwo festgehalten ist. Und ihm nicht, weil er das gesamte finanzielle Risiko alleine trägt. Die Änderungen im Grundbruch und bei der Bank würden uns einen mittleren vierstelligen Betrag kosten und so schieben wir dieses lästige Thema von Monat zu Monat vor uns hin. Ist es das im wahrsten Sinne des Wortes wirklich wert? Warum lassen wir es nicht einfach so? Wir werden uns schon nicht trennen. Und falls doch, werden wir das schon alles vernünftig regeln. Es trifft ja bekanntermaßen immer die anderen…
Wut
Und so ist es mit vielen Dingen, die vielleicht „schon passen“, wenn man in einer funktionierenden Beziehung steckt. Aber wenn das Luftschloss wackelt, sind leider oft wir Frauen* die Verliererinnen. Dieses Gefühl und die damit einhergehende Bedrohung kann mein Mann nicht 1:1 nachempfinden. In unseren Diskussionen fühlte er sich in zum Teil angegriffen, empfand meine „Forderungen“ als Vorwurf oder sah sich als zukünftig herzloses Arschloch dargestellt, das sich einfach mit der Kohle (und der Wohnung!) aus dem Staub machen würde. Und ich? Ich war wütend. Und bin es noch. Wütend auf ihn und die Umstände, dass er aus seiner bequemen Position heraus nicht die gleiche Dringlichkeit empfindet, über worst case Szenarien zu sprechen. Wütend, dass er aus meiner Sicht zu wenig Initiative zeigt. Wütend, dass ich mich oft allein mit dem Thema fühle. Wütend, weil #gleicherlohnfürgleichearbeit, #carearbeitistaucharbeit oder #genderpensiongap noch immer aktuell sind – in Zeiten von Corona aktueller denn je!
Ich erzählte in meinem Bekanntenkreis davon und stieß zum Teil auf Unverständnis. „Das ist so unromantisch!“, warf mir eine entgegen, „Wenn du jetzt schon planst, wie eure Trennung abläuft, dann kannst du die Beziehung auch gleich sein lassen.“ Und da war sie wieder: die Wut. Ich glaube an das Konzept von langjährigen Beziehungen. Und ja, zum aktuellen Zeitpunkt kann ich mir gut vorstellen, mit diesem Mann noch eine sehr lange Zeit zusammen zu sein. Aber steht das im Widerspruch zu den Werten, die mir in einer Beziehung wichtig sind? Kann ich nicht das Gefühl haben, dass meine Beziehung noch lange hält und mich trotzdem absichern wollen? Ist es unromantisch, solidarisch miteinander umzugehen und strukturellen Nachteilen aufgrund des Geschlechts gemeinsam zu begegnen? Ist es nicht viel mehr eines der romantischsten Dinge, gemeinsam zu bedenken, wie es jeder/jedem von uns gut gehen kann, falls wir irgendwann kein Paar mehr sein wollen? Und wieso ist das eigentlich nur meine Aufgabe in einer Beziehung, die aus zwei Menschen besteht?
Scheiß’ auf Romantik!
Gleichberechtigung in einer Beziehung leben zu wollen ist ätzend. Es ist anstrengend. Und unbequem. Es kostet viel Kraft und Nerven und zwingt uns immer wieder dazu, zu diskutieren. Das macht mir häufig auch keinen Spaß und doch gibt es für mich keine Alternative. Wenn Romantik bedeutet, dass ich nicht selbstbestimmt und unabhängig für mich sorgen darf, ohne meine komplette Beziehung infrage zu stellen, dann: “Für mich bitte einmal ohne!”
Mein Mann und ich haben uns inzwischen entschieden, im wahrsten Sinne des Wortes in unsere gemeinsamen Wertvorstellungen zu investieren und eben für die Änderungen von Kredit und Grundbuch zu bezahlen. Das mindert die Wut auf ihn. Die auf die strukturellen Nachteile für Frauen bleibt. Und das ist auch gut so!
[1] Versorgungswerk = Pendant der gesetzlichen Rentenversicherung für kammerfähige freie Berufe
[2] Die Altersgrenze für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe liegt in NRW seit 2015 auf der Vollendung des 42. Lebensjahres. Es besteht die Möglichkeit, die Höchstaltersgrenze pro Kind um 3 Jahre, bei mehreren Kindern um maximal 6 Jahre zu erhöhen. (Verband Bildung und Erziehung. Landesverband NRW. https://vbe-nrw.de/?content_id=47339)