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Drei Perspektiven auf Altersvorsorge – Teil 2

Geld und ich – eine explosive Mischung zwischen gleichgültig und gestört

Meinen Bezug zu Geld, meine Erfahrungen und Wertvorstellungen zu teilen, war erstmal eine Aufgabe, zu der ich ordentlich Distanz hatte. Geld und Altersvorsorge, ein scheinbar trockenes und emotionsloses Thema, das bei näherer Betrachtung zumindest bei mir persönlich bisher innere Konflikte ausgelöst hat.

Vielleicht vorab: Ich werde hauptsächlich über meine Erfahrungen und den eigenen Umgang mit Geld berichten, da ich bezüglich Altersvorsorge bisher nichts, also wirklich gar nichts vorzuweisen habe. Ich lasse mich sogar im Minijob noch von den Rentenbeiträgen befreien – ich weiß ja nie, ob ich nicht morgen vom Bus überfahren werde. Dann lieber mit den knapp 16 gesparten Euro steil gehen, zwei bis drei Gläser Wein sind das schon.

Soviel zur Altersvorsorge. Die perfekte Überleitung zu meinem Verhältnis zu Geld: Eine explosive Mischung zwischen gleichgültig und gestört.

Vom Fuerteventuraurlaub und der Tafel

In meiner Kindheit und Jugend spielte Geld eine sehr große Rolle, es war nämlich keins da. Als Tochter einer schwer depressiven und alleinerziehenden Mutter, die sich von unterbezahltem Job zu unterbezahltem Job schleppte und in schlechten Zeiten auch mal bei der Tafel unser Essen organisierte, war es früher nicht spaßig, an Geld zu denken. Ganz zu schweigen von coolen Urlauben oder ausschweifendem Freizeit- oder Kulturprogramm, war es manchmal einfach schwer, überhaupt den Alltag zu wuppen. Da war ein kaputter Schulranzen schon ein Grund dafür, sich an den Tisch setzen zu müssen und zu rechnen. Ich fand das natürlich als Kind nicht toll. Ich wollte mitmischen! In Gedanken bin auch ich in den Fuerteventuraurlaub mit meinen Eltern geflogen, über Silvester dann natürlich Skifahren. Bei schlechtem Wetter fuhr Mama mich im Q7 bis vor die Klassentür, abends zauberte sie eine kleine Quiche mit Gemüse und Eiern vom Biohof. Spoiler Alert: So isses natürlich nicht gewesen.

Ich erzähl das nicht, um Mitleid zu generieren, sondern weiterhin, um meinen heutigen Bezug zu Geld zu erklären (mein Unterbewusstsein ruft: ‚“Rechtfertigen!“). Ich habe nämlich eine Mutter, die mich und mein Wohl immer vor ihr eigenes gestellt hat und mir, sofern es ging, trotzdem vieles ermöglichen konnte. Das funktionierte vor allem aufgrund einer essentiell wichtigen Eigenschaft von ihr, die ich – bedauerlicherweise – nicht übernommen habe: Sparsamkeit. Klassenfahrten standen auf der Kippe, auch ein Schüleraustausch wollte gemacht werden, später der Führerschein. Alles Dinge, die für unseren Geldbeutel nicht gemacht waren, aber irgendwie doch umgesetzt werden konnten. Ich brauche, glaube ich, nicht zu erwähnen, dass ich keinen Cent dazu beigesteuert habe.

Der Zaubertrick vom Nichts haben und dabei sparen

Heute (nachdem ich mein erstes Jahr Vollzeit arbeiten mehr schlecht als recht zu Ende gebracht habe und weiß, dass ich in diesem Jahr mehr verdient habe als meine Mutter in irgendeinem dieser Übergangsjobs von damals) frage ich mich: Wie zum F*** hat sie das gemacht? Nichts zu haben und dabei zu sparen – für mich ein Zaubertrick.

Seit ich 16 bin arbeite ich (nebenbei). Als ich angefangen habe zu studieren, war mein Einkommen bestimmt durch den BAföG Höchstsatz, Unterhaltsnachzahlungen meines Vaters, Nebenjob und Kindergeld. Ich sag mal so: Mir ging‘s nicht schlecht, mir ging‘s ehrlicherweise finanziell richtig gut. Es ging mir so gut, dass ich Ende des Monats trotzdem immer im Minus war, mal ein paar Euro, mal ein paar hundert Euro. Stress? Nö, hab ja ‘nen Dispo.

“Ich war und bin es offenbar noch überhaupt nicht gewohnt, Geld zu haben und mir Dinge leisten zu können.”

Als ich dann Vollzeit angefangen habe zu arbeiten, in einer WG wohnend, keine wahnsinnigen Fixkosten außer meiner Weiterbildung und der Autoversicherung dachte ich dann: Das ist dein Jahr, jetzt wird gespart. Wer bis hierhin gelesen hat wird sich schon denken können, wie das ausgegangen ist. Selbstredend habe ich es geschafft, jeden Cent aus dem Fenster zu schmeißen, wofür ist mir dabei absolut schleierhaft, und ich habe auch wenig Lust, das nachzurechnen. Gelebt habe ich auf jeden Fall ganz gut.

Ich war es, und bin es offenbar noch bis heute, erstmal überhaupt nicht gewohnt, Geld zu haben und mir Dinge leisten zu können. Konzerte wollten besucht, Reisen gebucht und Wein auf der Aachener wollte getrunken werden. Ich habe die Möglichkeiten aufgesaugt und ich tue es bis heute. Aktuell ist es für mich das Geilste auf der Welt, in den Biomarkt zu gehen und mir ein 6€ Glas Aufstrich kaufen zu können. Wenn du mich also nach meinem Status Quo bezüglich meiner Ansichten zu Geld fragst, ist das sehr schwer zu beschreiben.

“Jede Person auf der Erde sollte einmal ärmliche Zustände hautnah erlebt oder besser gelebt haben, um sich der eigenen Privilegien bewusst zu werden.”

Ich habe viel Mitgefühl und Verständnis für Menschen, die wenig bis kein Geld haben und sich durch das Leben schlagen müssen. Ich würde mir daher ganz egozentrisch wünschen, dass jede Person auf der Erde einmal ärmliche Zustände hautnah erlebt oder besser gelebt haben sollte, um sich der eigenen Privilegien bewusst zu werden und vor Allem auch, bevor sie politische Entscheidungen diesbezüglich treffen darf. Wenn man sich dann vor Augen führt, dass ein ärmliches Leben in Deutschland gegenüber beispielsweise dem Camp in Moria ein 5* Resort ist, dann wird es vielleicht noch etwas deutlicher.

Nun versuche ich also seit einiger Zeit aus der komfortablen Lage, in der ich bin, heraus, meinen Konsum und meine Geldausgaben auf sinnvolle Projekte zu richten, wie zu spenden oder das Unterstützen von gemeinnützigen Organisationen. Das alles ändert aber (noch) nichts daran, dass ich meinen privaten Konsum besser im Blick behalten möchte. Nicht ganz so streng wie meine Mama, denn noch ist kein Kind von mir abhängig, und wie gesagt, morgen könnte mich ein Bus überrollen… aber so ein bisschen.


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